Denkmallisten in der DDR
von Bianka Trötschel-Daniels und Kai Drewes (Forschungsverbund »Welche Denkmale welcher Moderne?« bzw. IRS Erkner)
Die Denkmallisten der DDR sind eine wichtige Quelle für die Geschichte der DDR-Denkmalpflege. Auch für die heutige Auseinandersetzung mit dem baulichen Erbe in Ostdeutschland sind sie von Interesse. Denkmallisten erfüllen und erfüllten auch in der DDR zwei Funktionen: Sie waren zum einen ein rein deskriptives Instrument der Verwaltung, um den Bestand der zu pflegenden Denkmale festzuhalten, zum anderen konnten sie in einem sogenannten konstituierenden Listensystem auch ausschlaggebend sein für den Denkmalschutz eines Gebäudes.
Denkmallisten nach der Verordnung zur Erhaltung und Pflege der nationalen Kulturdenkmale von 1952
In einem konstitutiven Listensystem begründet erst die Eintragung des Denkmals in eine Denkmalliste den gesetzlichen Denkmalschutz. In der DDR galt ab 1952 die Verordnung zur Erhaltung und Pflege der nationalen Kulturdenkmale (GBl. Nr. 84, S. 514 f.). In dieser Verordnung wurde das konstitutive Listensystem festgeschrieben. § 7 Abs. 1 der Verordnung regelte, dass »die bedeutenden Denkmale« durch die »Landesämter für Denkmalpflege in die Denkmalsliste des Landes eingetragen werden« sollten. Durch diese Eintragung wurden die Denkmale unter Schutz gestellt (§ 7, Abs. 1, S. 2 Verordnung von 1952).
Der Aufbau der Denkmalverwaltung von 1952 bis 1963
Im Juli 1952 erfolgte durch das »Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Länder in der Deutschen Demokratischen Republik« (GBl. Nr. 99, S. 613 f.) die Auflösung der bisherigen Länder, an deren Stelle Bezirke traten. In diesem Zuge verloren die zuständigen Landesämter für Denkmalpflege ihre verwaltungsrechtliche Grundlage. Sie waren bis dahin bei den jeweiligen Landesregierungen angesiedelt und hatten ihre Sitze in Schwerin, Halle, Potsdam, Erfurt und Dresden. Sie waren zunächst dem Ministerium für Volksbildung und nach deren Gründung 1951 der Staatlichen Kulturkommission für Kunstangelegenheiten unterstellt gewesen.
1953 wurde das erste zentrale Institut für Denkmalpflege mit Sitz in Berlin gegründet. Zunächst hatte es drei Außenstellen: Die Außenstelle Nord, im selben Gebäude wie die Zentrale untergebracht, war verantwortlich für die Bezirke Potsdam, Frankfurt/Oder, Schwerin, Rostock und Neubrandenburg; die Außenstelle Südwest mit Sitz in Halle zeichnete verantwortlich für die Bezirke Magdeburg, Halle, Erfurt, Gera und Suhl; die Außenstelle Südost mit Sitz in Dresden umfasste die Bezirke Cottbus, Leipzig und Karl-Marx-Stadt. 1956 wurde für die Bezirke, die aus dem Land Mecklenburg-Vorpommern hervorgegangen waren, eine eigene Stelle in Schwerin eingerichtet. Das Zentralinstitut in Berlin wurde zum 30. Juni 1957 wieder aufgelöst. Die vier ehemaligen Außenstellen wurden zu vier eigenständigen Instituten, die dem Ministerium für Kultur direkt unterstellt waren.
Der nachfolgenden Verordnung von 1961 angeschlossen war die Anordnung über das Statut des Instituts für Denkmalpflege vom 28. September 1961 (GBl. II, Nr. 72, S. 477 ff.). Gem. § 4, Abs. 2 hießen die ehemaligen Außenstellen nun Arbeitsstellen des Instituts für Denkmalpflege. 1963 wurde in Erfurt für die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl eine eigene Arbeitsstelle gegründet. Damit waren gut zehn Jahre nach Auflösung der Landesämter deren örtliche Strukturen wiederhergestellt.
Listen zwischen 1952 und 1961?
Die für die Erstellung der Denkmallisten zuständigen Landesämter und die ihnen nachfolgenden Verwaltungseinheiten waren folglich seit 1952 ohne passende Rechtsgrundlage tätig. Fraglich ist, wie viele Listen in dieser Zeit des Umbruchs, auch angesichts der dringenden Bau- und Pflegeaufgaben der frühen Nachkriegsjahre, tatsächlich erstellt wurden.
Denkmallisten nach der Verordnung über die Pflege und den Schutz der Denkmale von 1961
Mit dieser Verordnung (GBl. II Nr. 72, S. 475 ff.) wurde der Wechsel vom konstitutiven zum nachrichtlichen System vollzogen. Der Denkmalschutz war folglich nicht mehr von einer Eintragung in eine Liste abhängig, sondern entstand qua Gesetz (vgl. § 1, Abs. 1 der Durchführungsbestimmung zur Verordnung von 1961). Aus verwaltungstechnischen Gründen mussten die Denkmale auch im nachrichtlichen System erfasst werden. Diese Erfassung erfolgte in einer sogenannten Denkmalkartei, die von den Kreisen geführt wurde (§ 8, Abs. 2 der Verordnung von 1961, § 4 Durchführungsbestimmung). Zusätzlich regelte § 7 der Verordnung von 1961, dass die »Verantwortung für die Pflege und den Schutz der Denkmale von besonderer nationaler Bedeutung und internationalem Kunstwert« dem Minister für Kultur oblag. Diese Objekte waren auf einer Liste zusammengestellt. Sie umfasste 32 Positionen.
Der Generalkonservator Ludwig Deiters äußerte sich 1963 zum damals praktizierten Listensystem dahingehend, dass es Bezirkslisten gegeben habe. Auf diesen in einigen Bezirken angefertigten Listen befänden sich durchschnittlich nicht mehr als 50 Positionen, so dass insgesamt wohl nicht mehr als 700 Objekte zu diesem Zeitpunkt verzeichnet waren (BA/SAPMO, DY 27/4421, Blatt 53). Zum Vergleich: Allein auf der Zentralen Denkmalliste von 1979 waren 400 Denkmale verzeichnet. Aus der Zeit zwischen 1961 und 1975 müssten sich also Denkmalkarteien bzw. Denkmallisten finden. Sie hatten lediglich verwaltungsinternen Charakter.
Denkmallisten nach dem Denkmalpflegegesetz von 1975
Mit dem Denkmalpflegegesetz von 1975 (GBl. I Nr. 26, S. 458 ff.) kehrte man in der DDR zum konstitutiven Listensystem zurück. Als Denkmal galt, was gemäß § 9 des Denkmalpflegegesetzes von den zuständigen Staatsorganen zum Denkmal erklärt worden war. Denkmale wurden klassifiziert und je nach Bedeutung auf die zentrale Denkmalliste, die Bezirksdenkmallisten oder Kreisdenkmallisten eingetragen (vgl. § 5 Abs. 1 Denkmalpflegegesetz).
Die zentrale Denkmalliste [pdf, 1,98 MB] wurde am 25. September 1979 in einem Sonderdruck des Gesetzblattes der DDR bekannt gemacht (SD Nr. 1017). Sie enthält Denkmale von besonderer nationaler und internationaler Bedeutung. In jedem der 14 Bezirke wurde darüber hinaus eine Bezirksdenkmalliste erlassen. Sie umfasste Denkmale von nationaler Bedeutung. Auch jeder Kreis sollte eine eigene Denkmalliste verabschieden. Zuständig waren die örtlichen Organe, also die Räte der Bezirke bzw. der Kreise.
Das Projekt: Digitalisierung und Zugänglichmachung der Denkmallisten
Um den Zugang zu den DDR-Denkmallisten zu verbessern, die in aller Regel nur in Archiven und Denkmalämtern zugänglich sind, sollen hier nach und nach digitalisierte Denkmallisten zur Verfügung gestellt werden.
Insbesondere nach Verabschiedung des DDR-Denkmalpflegegesetzes 1975 wurde der Erlass von Denkmallisten flächendeckend betrieben. Voraussichtlich werden hier daher zunächst Listen veröffentlicht, die nach 1975 entstanden sind. Idealiter soll von jedem Kreis und jedem Bezirk eine Denkmalliste veröffentlicht werden. Auch Listen eines Kreises oder Bezirkes, die unterschiedliche Stände abbilden, sowie ggf. Typoskripte mit Entwürfen für Denkmallisten sind interessant.
Wir hoffen hierfür auf die Unterstützung möglichst vieler Einrichtungen, die Originalunterlagen besitzen.
Literatur zur Denkmalpflege in der DDR
Brandt, Sigrid: Geschichte der Denkmalpflege in der SBZ/DDR. Dargestellt an Beispielen aus dem sächsischen Raum 1945–1961, Berlin 2003
Escherich, Mark: »Denkmale unserer Zeit«. Inventarisation bei Bauwerken der DDR-Moderne zu Zeiten der DDR, in: Forum Stadt, H. 1/2015, S. 55–73
Haspel, Jörg / Staroste, Hubert / Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmalpflege in der DDR. Rückblicke, Berlin 2014
Keltsch, Sandra: Stadterneuerung und städtebauliche Denkmalpflege in der DDR zwischen 1970 und 1990. Dargestellt an der Entwicklung von Denkmalstädten in Sachsen-Anhalt, Diss., Universität Leipzig 2012 (auch online verfügbar)
Schumacher-Lange, Silke: Denkmalpflege und Repräsentationskultur in der DDR. Der Wiederaufbau der Straße Unter den Linden 1945–1989, Diss., Universität Hildesheim 2012 (auch online verfügbar)
Wüllner, Katja: Hinter der Fassade – Das institutionelle System der Denkmalpflege in der DDR untersucht am Beispiel der thüringischen Städte Erfurt, Weimar und Eisenach, Diss., BTU Cottbus 2015 (auch online verfügbar)